Zum 125. Geburtstag von Elisabeth Selbert am 22. Juni 2021 

Elisabeth Selbert Statue KAssel

Die Juristin Elisabeth Selbert war eine von vier Frauen im Parlamentarischen Rat, der in Bonn zusammengetreten war, um eine Verfassung für die neue Bundesrepublik auszuarbeiten, die 1949 feierlich verkündet wurde. Dass der Gleichheitssatz ins Grundgesetz geschrieben wurde, ist allein Elisabeth Selbert zu verdanken. Denn die Mehrheit im Parlamentarischen Rat lehnte dies zunächst hartnäckig ab. Elisabeth Selbert zog kreuz und quer durch die Westzonen des kriegszerstörten Deutschlands, um die Frauen wachzurütteln und Unterschriften zu sammeln. Körbeweise kamen daraufhin Protestschreiben von Frauen in Bonn an. Mithilfe dieser unglaublichen außerparlamentarischen Unterstützung gewann die engagierte Sozialdemokratin im Parlamentarischen Rat den Kampf für Gleichberechtigung. 

In diesem Jahr wurde zu ihrem 125. Geburtstag in ihrer Geburtsstadt Kassel ein Denkmal aufgestellt: die Bronzestatue zeigt die engagierte Juristin in Lebensgröße. Ihren endgültigen Standort hat die Statue auf dem Scheidemannplatz in Kassel erhalten. Davor wurde sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor der Brüderkirche enthüllt. In seiner eindrucksvollen Rede beim Festakt ließ er das Leben Elisabeth Selberts noch einmal Revue passieren:

„Wir erinnern heute an eine Frau, die drei große Umbrüche der deutschen Geschichte miterlebt hat und in vier politischen Systemen geprägt wurde. So unterschiedlich die Bedingungen dabei auch waren, immer wieder hat sie sich auf ihre Art behauptet: selbstbewusst, beharrlich, klug und zielstrebig.“ 

In jungen Jahren erfuhr Elisabeth Selbert selbst die Benachteiligung der Frauen im Bildungswesen. Sie ließ sich jedoch nicht von ihrem Wunsch abbringen, unabhängig zu sein. Sekretärin und Postgehilfin waren ihre ersten Berufsstationen. 1919 wurde das Wahlrecht eingeführt, 1922 wurde die Justiz auch für die Frauen eröffnet. Elisabeth Selbert holte das Abitur nach und studierte Jura – da war sie bereits 30 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern. 1934 wurde sie als Anwältin zugelassen, kurz bevor der Beruf von den Nationalsozialisten für Frauen wieder gesperrt wurde. 

Ihr Leben lang hat Elisabeth Selbert Frauen dazu ermutigt, vor der Ehe eine Ausbildung abzuschließen. Später, in ihrer Kasseler Kanzlei, hat sie viele junge Anwältinnen gefördert – ein Vorbild bis heute, auch für uns, die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im DAV. 

Ein Vorbild war sie ebenfalls für die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und frühere Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach. In einem Interview zum Ende ihrer Amtszeit in Karlsruhe im Jahr 2002 sprach Jutta Limbach mit großer Hochachtung und Empathie von der großen Juristin. Das Interview führte die Hörfunkjournalistin Annette Wilmes. 

Nach der Arbeit im Parlamentarischen Rat wollte Elisabeth Selbst für die SPD in den Deutschen Bundestag gewählt werden. Sie wurde aber nur auf der Landesergänzungsliste der hessischen SPD aufgestellt und verfehlte einen Sitz. Auch die angestrebte Nominierung als erste Richterin des Bundesverfassungsgerichts scheiterte 1958. 

Ende der 1950er-Jahre zog sich Elisabeth Selbert, die in den ersten drei Wahlperioden Mitglied es Hessischen Landtags gewesen war, aus der Politik zurück. Sie arbeitete wieder als Rechtsanwältin in ihrer auf Familienrecht spezialisierten Kanzlei in Kassel – bis zu ihrem 85. Lebensjahr. 

Bild:
Elisabeth-Selbert-Monument in Kassel
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