Die Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen auf dem virtuellen Deutschen Anwaltstag im Juni 2020 waren ein voller Erfolg – mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und lebhaften Diskussionen. Das wichtige Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stand im Mittelpunkt der Veranstaltung „Anwältin – erfolgreich trotz Kindern“, die die AG Anwältinnen in Kooperation mit der AG Sozialrecht am 17. Juni als virtuelles Webinar durchführte. Das Thema steht schon lange im Fokus und könnte jetzt noch wichtiger geworden sein, sind die Anwältin und Mutter doch durch die Corona-Pandemie vor neue und größere Herausforderungen gestellt. Im ersten Teil der Veranstaltung erläuterte Rechtsanwältin und Fachanwältin Christine Vandrey, Vizepräsidentin des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Berlin, die Besonderheiten der Anerkennung von Kindererziehungszeiten in den 16 Versorgungswerken und der Deutschen Rentenversicherung. Rechtsanwältin und Fachanwältin Cornelia Oster aus Wiesloch referierte über das Thema Mutterschutzregelungen und erklärte die Unterschiede für selbstständige und angestellte Anwältinnen. Sie stellte die Frage: selbständig oder doch lieber angestellt? Oster selbst hielt es zumindest einfacher, angestellt zu arbeiten. Im parallel laufenden Chat bekam sie aber auch viel Widerspruch: „Kinder bleiben nicht immer klein, gottseidank. Wenn man sich durch Stillen, Wickeln und Tagesmutter durchgearbeitet hat, ist man nachher froh über die Freiheit der Selbständigen“, oder: „Ich wickel und stille gerade und ich bin selbstständig, nichts anderes kann ich mir vorstellen! Nur Mut!!!“ oder: „Aus Erfahrung (24, 22, 16) weiß ich, dass es funktioniert. Nur wenn man mittendrin steckt, denkt man ab und zu, dass die Welt einstürzt.“

Die 158 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zu dem Fazit: Es ist zwar anstrengend und bedarf guter Organisation, aber ja, die Anwältin kann auch mit Kindern beruflich erfolgreich sein! Es gibt noch einiges zu tun und wir werden an diesem Thema dranbleiben. „Anwältin und Mutter – klar geht das!“ Zu diesem Thema hat die AG Anwältinnen eine Umfrage gemacht und die Ergebnisse in einer Broschüre zusammengefasst. Diese können Sie gerne bei uns anfordern. Rechtsanwältin Dr. Alexandra Nöth, LL.M.Eur., Bremen, moderierte die mutmachende Veranstaltung.

„Weibliche Besetzung von Prüfungskommissionen im juristischen Staatsexamen“ – auch diese Veranstaltung am 18. Juni war mit etwa 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besucht. Dass eine Podiumsdiskussion mit acht Personen auch virtuell funktionieren kann, wurde hier aufs beste bewiesen, von gelegentlichen Bild- und Tonausfällen einmal abgesehen. Rechtsanwältin Tanja Brexl, als Geschäftsführerin im DAV zuständig für den Genderausschuss, berichtete über Aktivitäten des DAV. Durch eine Studie war bekannt geworden, dass Frauen – bei gleichen schriftlichen Vornoten – im mündlichen Examen schlechtere Chancen haben, einen Notensprung zu erreichen als Männer, wenn die Prüfungskommission rein männlich besetzt ist. Ist zumindest eine Frau unter den Prüfenden, sind die Chancen ausgeglichen. Das war ein Anlass für den DAV, mit den Landesjustizprüfungsämtern und den Rechtsanwaltskammern in Kontakt zu treten, um zu erforschen, wie viele Frauen in den Prüfungskommissionen der mündlichen Examensprüfungen tätig sind und wie es gelingen kann, den Anteil weiblicher Prüferinnen zu erhöhen. Gemeinsam mit den Landesverbänden wirbt der DAV bei seinen weiblichen Mitgliedern, sich für ein Prüfungsamt zu bewerben. Die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen hatte nun einige der Beteiligten auf dem virtuellen Podium zusammen gebracht: Dr. Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Berlin, VorsRiLG Stephan Hackert, LJPA NRW, Düsseldorf, RA Martin W. Huff, Geschäftsführer RAK Köln, RAin Dr. Heike Stintzing, Vizepräsidentin der RAK Frankfurt am Main und Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb, Berlin.

Das Ergebnis der sehr lebhaften Diskussion: Es ist immer noch schwer, die Prüfungen mit Juristinnen zu besetzen. Eine wesentliche Rolle dürfte hier der Gender Pay Gap spielen. Anwältinnen verdienen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen weniger, können sich also weniger Verdienstausfall leisten. Gleichzeitig leisten sie über 50 Prozent mehr Care Arbeit und haben somit schlicht weniger Kapazitäten für ein Nebenamt. Neben dem Ziel, die ungleichen Prüfungsbedingungen zu beseitigen, ist es wichtig, den jungen Juristinnen weibliche Prüferinnen als „Role Models“ gegenüberzustellen. Denn es ist unumstritten, dass die Atmosphäre in der mündlichen Prüfung deutlich entspannter ist, wenn eine Frau der Prüfungskommission angehört, das bestätigten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion. In dem parallel laufenden Chat ging es um weitere Fragen rund um das juristische Staatsexamen: Was tun gegen Unconscious Bias oder offene Diskriminierung in den Prüfungssituationen, welche Beschwerdemöglichkeiten gibt es? Sollte die Prüfung protokolliert werden? Wie kann diskriminierungsfreies Verhalten der Prüfenden erreicht werden? Sollten Beschwerdestellen oder Mediationsverfahren etabliert werden? Rechtsanwältin Christina Dillenburg, Essen, moderierte die Veranstaltung.
Bericht in der NJW, demnächst auch ein Bericht im Anwaltsblatt

Der Frühstücksempfang der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen, eigentlich kaum virtuell vorstellbar, fand ebenfalls regen Zuspruch. Mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Europa trafen sich online, viele hatten ein Glas Sekt mitgebracht oder Kaffee und Brötchen. Die Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses, die DAV-Präsidentin Edith Kindermann und die neue Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge erhoben ihr Glas und stießen aus der Ferne an. Rechtsanwältin Ursula Gudernatsch aus Köln moderierte die Veranstaltung und dankte vor allem der Geschäftsführerin Rechtsanwältin Tanja Brexl und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Rechtsanwältin Evelyn Westhoff, LL.M. für die tatkräftige Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft bei all ihren Aktivitäten.

Die Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen, Rechtsanwältin Dr. Alexandra Nöth, begrüßte die befreundeten Organisationen. Vom Deutschen Juristinnenbund waren deren Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig und die Bundesgeschäftsführerin Anke Gimbal dabei, vom Verein Anwältinnen ohne Grenzen die Gründerin Jasmina Prpić, aus der Politik Katja Keul, außerdem die Geschäftsführer und –führerinnen des DAV, auch die Mitglieder des Präsidiums und des Vorstands des DAV. Von den zahlreichen DAV Arbeitsgemeinschaften hob sie das Forum Junge Anwaltschaft hervor. Denn besonders den jungen Juristinnen, die mit sich hadern, den Anwältinnenberuf zu ergreifen, wollen die Anwältinnen mit ihrer Arbeitsgemeinschaft Unterstützung bieten und Vorbild sein. Der neuen Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge wünschte Dr. Nöth viel Glück für ihre neue Aufgabe. Dazu gab es, wie auf dem Bildschirm zu sehen war, einen wirklichen Blumenstrauß, der ihr im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen überreicht wurde. DAV-Präsidentin Edith Kindermann betonte in ihrer Ansprache, dass in den bewegten Corona-Zeiten die Arbeit zuhause und im Beruf im besonderen Maß von den Frauen getragen wird. In dieser schwierigen Situation sei ein Netzwerk wie die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen besonders wichtig und hilfreich. Aber so anregend und informativ die virtuellen Veranstaltungen des Deutschen Anwaltstages auch gewesen seien, nicht zuletzt auch der Frühstücksempfang der Anwältinnen, so sehr wünschte sich Präsidentin Kindermann die persönliche Begegnung und den direkten Kontakt. Insofern freut sie sich auf den Sommerempfang der Arbeitsgemeinschaft am 17. Und 18. September 2020 in Berlin.