Vom 24.10. bis 26.10. 2019 kamen etwa 50 Anwältinnen in Augsburg zusammen. Bei einer sehr schönen und informativen Stadtführung lernten sie die mittelalterliche Stadt kennen. Abends beim „Get together“ kamen sie an einem ganz besonderen Ort wieder in der Gegenwart an: Das Café „Tür an Tür“ zeigt, wie praktische Solidarität mit ehrenamtlichen Aktivitäten funktionieren kann. Auf dem Gelände eines alten Straßenbahndepots in einer alten Bus-Garage ist ein offener kultureller und sozialer Treffpunkt als Impuls für Engagement im Viertel und in der Stadt entstanden. Im „Zentrum für interkulturelle Beratung (zib.)“ finden Asylsuchende, Flüchtlinge und Einwanderer kompetente Beratung, Sprachkurse und Unterstützung bei der Suche nach gutem Rat, Job und Wohnung. Das Café Tür an Tür ist einerseits das Wartezimmer des zib, aber auch ein offener Ort für vielfältige soziale und interkulturelle Begegnungen.
An den zwei folgenden Tagen erwartete die Teilnehmerinnen der Anwältinnenkonferenz ein pralles Programm mit aktuellen Themen aus verschiedenen Rechtsgebieten: „Legal Tech: Hype mit Potential“ – ein Vortrag von RAin Dr. Susanne Reinemann, Redakteurin der NJW. Über die „Die Law Clinic Augsburg“ – studentische Rechtsberatung informierte Ass. jur. Patricia Payome Villoria, Augsburg. RAin Marion Reisenhofer erklärte die „Die Bemessung der Rahmengebühren gemäß § 14 RVG“. Weitere Themen: „ArbeitsR“ – RAin Dr. Annegret Berne, Augsburg; „Das Darlehen im KapitalmarktR“ – RAin Elke Schubert, Seefeld; „Rechte und Pflichten bei Durchsuchung und Beschlagnahme in der Kanzlei und im Unternehmen“ – RAin Juliane Kirchner, Augsburg; „Folgen von Trennung und Scheidung aus nationaler, aufenthaltsrechtlicher und unionsrechtlicher Sicht“ – RAin Cordula Berschet, Augsburg; „Die vermietete Immobilie im ErbR“ – RAin Julia Starke, Augsburg; „Paralleljustiz im Straf- und Familienrecht“ – RAin Nazan Simsek, Augsburg. Für sieben Fachanwaltschaften konnten Fortbildungspunkte gesammelt werden. Und neben dem Fachlichen gab es ein Angebot zur Stärkung der Persönlichkeit: „Burn In statt Burnout – Mit Freude und Leichtigkeit unterwegs im Anwältinnenberuf“ – ein kurzweiliger Vortrag von Gabriele Westler aus Moosach, die Tipps hatte, wie ein innerer Kompass für das Privat- und Berufsleben vor Burnout schützen kann.
Besonders eindrucksvoll war der Festvortrag von Claudia Roth, MdB, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, die während der Abendveranstaltung über die fundamentale Bedeutung des Rechtsstaats sprach, über die Grund- und Menschenrechte und über die „Spaltung unserer offenen Gesellschaft, die zu wachsen droht, wenn wir die Verteidigung eben dieser Rechte schleifen lassen“. Neu sei es nicht, dass die Menschenwürde tagtäglich untergraben, verletzt und infrage gestellt wird – mal subtil und schleichend, oft auch offen und frontal. „Immer schon mussten die Menschenrechte verteidigt, stetig belebt und erneuert werden.“ Weltweit sei ein gezielter Angriff auf die grundlegenden Prinzipien unserer internationalen Ordnung zu beobachten, so Claudia Roth: „Einer Ordnung, der Zusammenarbeit und dem Frieden verpflichtet ist.“ Sie sprach von einer wissentlichen Kampfansage an unsere vielfältige und plurale Realität, von der Verteidigung einer alten Welt, in der Nationalismus, Sexismus und Rassismus die strukturellen Privilegien einiger Weniger sichern – auch mit Mitteln der wissentlichen Rechtsbeugung, bisweilen gar des offenkundigen Rechtsbruchs. Es war zunächst ein ziemlich schwarzes Bild, das Claudia Roth malte. Sie kam auch auf einige Männer zu sprechen, zum Teil in den höchsten Staatsämtern dieser Welt, die glaubten, sich durch „sexualisierte Erniedrigung zurückholen zu können, was ihnen niemals gehört hat“. Aber diese Trumps und Bolsonaros bringe nichts so sehr aus dem „Gleichschritt, wie die vielfältige Schlagkraft der weltweiten Frauenbewegung“ – wurde Roths Rede zunehmend kämpferisch. Sie lud die Anwältinnen dazu ein, laut zu sein, denn: „Mehr denn je braucht es doch die kraftvolle Vision einer gerechteren und diversen Welt; braucht es selbstbewusste und mutige Stimmen, gerade auch weibliche Stimmen, die eintreten für eine Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Gewalt und Unterdrückung leben können; braucht es diese weiblichen Stimmen natürlich auch vor Gericht, in den Anwält-INNEN-kanzleien.“ Zum Schluss appellierte Claudia Roth an die Anwältinnen, die Grundrechte auch gegen Widerstände immer wieder zur Geltung zu bringen.
Die gelungene Tagung in Augsburg, auf der auch neue Mitglieder gewonnen werden konnten, endete am Sonnabendmittag mit der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen.