Die Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen auf dem virtuellen Deutschen Anwaltstag im Juni 2021 waren ein voller Erfolg – mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und lebhaften Diskussionen. Wie schon im vergangenen Jahr war es sehr gut gelungen, auch in digitaler Form viele wichtige Informationen zu transportieren und interessante Gespräche möglich zu machen. Die Teilnehmenden konnten sich zusätzlich im fachlichen Chat äußern und Fragen stellen. Auch im allgemeinen Chat fand ein reger Austausch statt. 

Zum Thema Ehegattensplitting sprachen Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes djb, Berlin, Prof. Nicola Fuchs-Schündeln, Ph.D., Professorin für Makroökonomie und Entwicklung, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main und Reina Becker, Diplom-Kauffrau und Steuerberaterin, Westerstede. Das steuerrechtliche Modell des Ehegattensplittings wird 63 Jahre alt und ist dringend reformbedürftig – über diesen Befund waren sich die Referentinnen einig. Denn das Splitting führt dazu, dass ein Ehepaar dafür steuerlich belohnt wird, wenn ein Ehegatte weniger arbeitet. Dieser Ehegatte ist meist weiblich. Die (Lebens)Erwerbsarbeit von Frauen wird dadurch behindert. Dies ist makroökonomisch berechen- und belegbar und kann mit Zahlen aus anderen Ländern verglichen werden. Eine Einzelbesteuerung würde zu mehr Erwerbsstunden von Frauen führen. Das zeigen Zahlen im internationalen Vergleich. Auch wenn die Reform des Ehegattensplittings immer wieder politisch diskutiert wird, ist bis heute keine Änderung in Sicht. Die Beiträge der Referentinnen waren sehr informativ und wurden im Chat mit viel Beifall bedacht: „Toller Vortrag, sehr interessant der Schnittpunkt zwischen Recht und Wirtschaft. Sehr interessant, vielen Dank für diese ökonomischen Aspekte!“ Rechtsanwältin Dr. Alexandra Nöth, LL.M.Eur, Bremen, moderierte die Veranstaltung und zeigte sich besonders angetan von dem Begriff der Ehe als eine „konfliktfreie Kosten- Maximierungseinheit“. 

Die Realität von Anwältinnen gestern und heute 

Die Realität von Anwältinnen gestern und heute – eine Veranstaltung, die ebenfalls auf großes Interesse stieß. Ulrike Schultz, Akad. Oberrätin a.D., Fern-Universität Hagen, gab einen Überblick über die Geschichte von Frauen in juristischen Berufen und erinnerte daran, dass im Nationalsozialismus die Frauen, die noch nicht lange als Anwältin oder Richterin zugelassen waren, aus den juristischen Berufen wieder hinauskatapultiert wurden. Für die heute Zeit stellte sie die These auf, dass für Frauen „Anwältin“ ein Übergangsberuf auf dem Weg zu anderen Bereichen sei, zum Beispiel in der Justiz als Richterin oder in der Behörde als Fachbeamtin. Frauen in der Anwaltschaft hätten weniger Kinder und andere Spezialisierungen als ihre männlichen Kollegen, war ihr Fazit. 

Jutta Wagner, Rechtsanwältin und Notarin a.D, Berlin, blickt auf eine langjährige und intensive Berufszeit zurück, in der sie auch immer politisch aktiv war, zum Beispiel als Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes djb. „Nur Dank der Robe wurde ich als Anwältin identifiziert“ – ist eine ihrer Erinnerungen an die ersten Berufsjahre. Sie wünscht sich einen schnelleren Fortschritt, es sei frustrierend, dass manche Probleme nach so vielen Jahren immer noch bestehen. Sie bewertet auf der anderen Seite die Arbeit des DAV als positiv, dazu gehören für sie die Vereinskultur und die Unterstützung von Kolleginnen. Petra Heinicke, Rechtsanwältin, München, Vorstandsmitglied im DAV, berichtete ebenfalls von ihren Erfahrungen in ihrer Anfangszeit. Sie hat für sich entschieden, sich von den „typischen Frauenbereichen“ fernzuhalten. Bereits seit 1992 ist sie Fachanwältin für Arbeitsrecht. Ihren Kolleginnen gibt sie den Rat, sich zu trauen, auch auf den eigenen (finanziellen) Vorteil zu schauen und eigene Nischen zu finden. Nina Katrin Straßner, Rechtsanwältin, Autorin, Kolumnistin (Juramama), St. Leon-Rot, hat als Studentin die Erfahrung gemacht, dass der Hörsaal noch voller Frauen war, aber „in den Partnerschaften der Sozietäten sind sie später nicht angekommen“. Gegen die Diskriminierungen sucht sie einerseits den gesellschaftlichen Diskurs, versucht aber auch, Unternehmensstrukturen von innen heraus zu ändern. Dr. Claudia R. Cymutta, Rechtsanwältin, Autorin, Dozentin, Mannheim, dachte, in ihrer Generation würden Frauen nicht diskriminiert. Sie schaffte es, auch durch ihre fachliche Qualifikation, einen gewissen Bekannheitsgrad zu erlangen, so dass ihr Mann auch mal gefragt wird, ob er der „Mann von Frau Cymutta“ sei. Sie rät, sich darüber klar zu werden, was Karriere für die eigene Person bedeutet.

Kleine Kanzleien seien oft viel flexibler als große Einheiten. Rechtsanwältin Christina Dillenburg, Essen, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen, moderierte die gut besuchte Veranstaltung. In der Diskussion ging es darum, wie Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung voranzubringen und die Chancen von Frauen in der Anwaltschaft zu fördern seien. „Die Anwaltschaft ist auf Frauen angewiesen“ – eine Erkenntnis, die noch nicht überall angekommen sei. Deshalb müssten gesellschaftliche Rollenbilder verstärkt hinterfragt und Frauen sichtbarer gemacht werden. Hilfreich könnte dabei das Mentoring sein oder eine „Co-Leadership“ auszubauen. Ansätze, mit denen die Arbeitsgruppe Anwältinnen schon viele Erfahrungen gesammelt hat. Im parallelen Chat wurde ebenfalls heftig diskutiert. Viele Teilnehmende fanden ihre eigenen Erfahrungen in den Beiträgen bestätigt, zum Beispiel: „Vielen Dank für diese gelungene Veranstaltung und die Darstellungen der Referentinnen, deren Erfahrungen ich teilweise teile. Es gibt selbst im liberalen Frankfurt einige Männer (Richter und auch Anwälte), die uns Frauen nicht in der Anwaltschaft haben möchten. Zum Glück eine Minderheit!“

Perspektiven für Anwältinnen – Erfolg durch Spezialisierung: 

Lässt sich durch konsequente Spezialisierung auch finanzieller Erfolg erreichen? Welche Rechtsgebiete eignen sich hierfür besonders? Kommt es auf die Kanzleigröße an? Erfolgreiche Rechtsanwältinnen schilderten ihren Lebenslauf und beschrieben ihr Rechtsgebiet. Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Berlin, ist auf das IT-Recht spezialisiert. Sie musste sich die Grundlagen nach und nach durch die Praxis erarbeiten, denn als sie vor 20 Jahren auf dem Fachgebiet begann, gab es noch keine Fortbildungsveranstaltungen für die Anwaltschaft. Heute ist sie selbst eine gefragte Referentin auf ihrem Spezialgebiet. Monika Hähn, Lübbecke, hat gleich mehrere Fachanwaltstitel erworben: Familienrecht, Erbrecht, Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht. Im Laufe der Jahre hat sie sich aber auf die Beratung von Landwirten spezialisiert, wobei sie ihr Fachwissen aus den bisherigen Spezialisierungen bündeln kann. Sehr anschaulich und unterhaltsam erzählte die ehemalige Großstädterin über ihre Erlebnisse auf dem Land und wie sie sich unter den Bauern behaupten konnte. Christina Johanna Bernath zu Bernathfalva, Hagen, hat sich von Beginn ihrer anwaltlichen Tätigkeit an auf das Insolvenzrecht festgelegt. Sie findet es deswegen so vielseitig und interessant, weil es bei der Insolvenzverwaltung nicht nur um Juristisches geht. Dr. Silja Maul, Mannheim, ist im Gesellschaftsrecht aktiv. Sie schilderte ihren beeindruckenden Lebenslauf und ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin und als Mediatorin. Zwischenzeitlich war sie auch als Nationale Expertin für Gesellschafts- und Bilanzrecht bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Rechtsanwältin Ursula Gudernatsch, Köln, moderierte die Veranstaltung und resümierte: „Die Spezialisierungen in den Rechtsgebieten der Referentinnen garantieren ein gutes Einkommen“. Im Chat gab es auch hier wieder Beifall: „Vielen Dank für die tollen Eindrücke und Inspirationen!“

Frühstücksempfang

Der Frühstücksempfang der AG Anwältinnen war wie schon im vergangenen Jahr wieder eine hervorragende Gelegenheit zum fachlichen und persönlichen Erfahrungsaustausch, die von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerne genutzt wurde. 

Rechtsanwältin Dr. Berit Jaeger moderierte die Veranstaltung und begrüßte die DAV-Präsidentin Rechtsanwältin Edith Kindermann, die Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge, die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Auslandsvereine und Arbeitsgemeinschaften aus Belgien, Polen, Österreich, Kroatien, Ungarn und Italien, außerdem zahlreiche Mitglieder und Interessierte. Rechtsanwältin Christina Dillenburg, Vorsitzende der AG Anwältinnen, ging auf das Motto des Anwaltstages ein, der sein 150jähriges Bestehen feierte: „Die Anwaltschaft in besonderer Verantwortung“. Für die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen des DAV bedeute dies, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung voranzubringen und die Chancen von Frauen in der Anwaltschaft zu fördern. Auf der Jubiläumsveranstaltung „Equal Rights – Frauen in der Anwaltschaft und beim DAV“ – sei dies bereits thematisiert worden, unter Teilnahme der langjährigen früheren Vorsitzenden der AG Anwältinnen Rechtsanwältin Silvia C. Groppler, Vorstandsmitglied und Genderbeauftragte im DAV (als Podcast abrufbar). Es sei dem DAV durch das aktuelle Führungsteam schon gut gelungen, weiblicher zu werden, meinte Christian Dillenburg. Aber es fehle noch an einer tatsächlichen Gleichstellung, es müsse in der Gesellschaft und in der Anwaltschaft ein Umdenken mit einer gerechten Lastenverteilung stattfinden. Nur so werde es Frauen mit Familie möglich, sich beruflich zu entwickeln. Sie wies in diesem Zusammenhang auf die geplante Neuauflage der Broschüre „Anwältin und Mutter – klar geht das“ hin. Außerdem sei die AG Anwältinnen Mitinitiatorin der „Berliner Erklärung“ (s.u., „Politik und Gesellschaft) 

Auch DAV-Präsidentin Edith Kindermann knüpfte in ihrer mitreißenden Rede an die Jubiläumsveranstaltung an und erinnerte unter Verweis auf die Geschichte der Anwältinnen ab 1922, geprägt durch Maria Otto, dass wir nicht alles allein stemmen können, sondern auf die Gesellschaft, aber auch auf die Politik, Regierung und Parlament durch Gesetzesvorhaben angewiesen sind. Sie knüpfte an eine Aussage von Rechtsanwältin Silvia C. Groppler an: „Anwältinnen müssen sichtbar sein“. In diesem Sinne sei der AG Anwältinnen eine gelungene Verbandsarbeit gelungen. Darüber hinaus lobte sie die starke Präsenz der Anwältinnen auf dem virtuellen Anwaltstag. Sie zeigte sich auch beeindruckt durch die Angebote an Mitglieder und deren tatkräftige Unterstützung in vielen Bereichen. Bestärkt von diesen Worten und mit dem Versprechen, sich nicht auszuruhen, leitete die Moderatorin Dr. Berit Jaeger über in den zweiten Teil der gelungenen Veranstaltung. 

Beim Referendarinnen-Treffen, einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Forum Junge Anwaltschaft, erläuterte Rechtsanwältin und Notarin Ruth Nobel, Vorsitzende des Forums Junge Anwaltschaft, die Vorteile einer Mitgliedschaft und die Bedeutung des Netzwerkens. Anschließend stellte Rechtsanwältin Lisa Schopp, LL.M. Köln/Paris 1, das Mentoring-Programm vor, für das sie als Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AG Anwältinnen zuständig ist. Sie erklärte, wie mithilfe des Fragebogens auf der Internetseite der Anwältinnen Mentorinnen und Mentees zusammenfinden und wie die Online-Anmeldung funktioniert. Ein schöner Erfolg dieser Veranstaltung war, dass sich angehende Kolleginnen als Mentees registrierten und gleichzeitig Rechtsanwältinnen sich bereiterklärten, Mentorin zu werden. Die Veranstaltung wurde von Rechtsanwältin Karoline Fritz moderiert.