Jura not alone

„Recht ist veränderbar, verbesserbar. Manchmal sogar dringend veränderungsbedürftig“, schreiben Nora Markard und Ronen Steinke im Vorwort: „Recht ist zugleich auch ein Mittel zur Befreiung von Herrschaft, zur Emanzipation für Minderheiten … wenn man weiß, wie“. In ihrem ersten gemeinsamen Buch „Jura not alone“ geht es oft zu wie in einem Krimi. So spannend beschreiben die beiden beispielsweise eine Verfassungsbeschwerde, die Bijan Moini für die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit Erfolg geführt hat. Es ging um die Behauptung, der BND brauche im Ausland die deutschen Grundrechte nicht zu beachten. Nora Markard, Professorin für internationales öffentliches Recht und internationalen Menschenrechtsschutz an der Universität Münster, hat die GFF mitgegründet. Die Organisation hat bereits mehrere Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen, weil sie weiß, wie. Mit Ronen Steinke, Jurist und rechtspolitischer Korrespondent der Süddeutschen Zeitung hat sie einen kongenialen Koautor gefunden. Mit leichter Hand beschreiben die beiden, wie es möglich ist, sich das Recht als Gegenentwurf anzueignen, um sexistische Paragrafen im Sexualstrafrecht zu verändern, Vielfalt im Familienrecht zu ermöglichen oder mit Jura den Planeten zu retten. Eindringlich auch ihre Warnung, dass unsere Demokratie gegen eine Übernahme von rechts nicht gefeit ist, trotz aller aus der Erfahrung der Nazizeit errichteten Schutzmechanismen im Grundgesetz. Topaktuell.
Jura not alone. 12 Ermutigungen, die Welt mit den Mitteln des Rechts zu verändern, Nora Markard und Ronen Steinke, Campus Verlag, 282 Seiten, 25,- €

Die stille Gewalt

Das Buch „Die stille Gewalt“ der Berliner RAin Asha Hedayati macht momentan Schlagzeilen: nd-aktuell, Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Der SPIEGEL u.v.m. Das ist gut so. Die Familienrechtsanwältin vertritt seit 10 Jahren schwerpunktmäßig gewaltbetroffene Frauen in Trennungs-, Scheidungs-, und Gewaltschutzverfahren. Mindestens jede vierte Frau erlebt einmal im Leben Gewalt in der Partnerschaft. „Es heißt dann: sie hätten Eheprobleme oder private Konflikte“, schreibt Asha Hedayati. „Der Betroffenen wird die Verantwortung gegeben, dass sie in einer Gewaltbeziehung gelandet ist.“ Die Anwältin erkennt hinter den persönlichen Schicksalen das Versagen staatlicher Institutionen. Sie zeigt auf, wie Polizei, Jugendämter und Familiengerichte Frauen alleinlassen: „Im Zweifel für den prügelnden Mann“. Auf den ersten Seiten beschreibt sie Macht und Kontrolle durch psychische und sexualisierte Gewalt, aber auch wie Regelungen zum Ehegattensplitting, Unterhaltsrecht sowie das System der unbezahlten Carearbeit die Ungleichheit zementieren: „Der Staat versagt darin, Frauen vor Gewalt zu schützen – weil er von ihrer unbezahlten Arbeit profitiert“.  Auch auf Twitter berichtet Hedayati regelmäßig von krassen Fehlentscheidungen durch Familiengerichte, die Partnerschaftsgewalt nicht ernstnehmen. Die Gewalt selbst ist laut, sagt sie. „Was still ist, sind diese unsichtbaren Normen, Mythen und patriarchalen Strukturen“.
Die stille Gewalt, Wie der Staat Frauen alleinlässt, Asha Hedayati, Rowohlt, 192 Seiten, 18,- €

Gegen Frauenhass

„Alle, wirklich alle Frauen können betroffen sein. Und alle, wirklich alle Männer können Täter sein,“ schreibt die Spiegelkolumnistin Margarete Stokowski über „Gegen Frauenhass“. Die Berliner Rechtsanwältin Christina Clemm zeigt in ihrem neuen Sachbuch, wie allgegenwärtig die Gewalt gegen Frauen ist, und was sich verändern muss, politisch wie privat. Schon in ihrem ersten Buch „AktenEinsicht“ hatte die Strafverteidigerin und Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt einen erschreckenden Einblick in die Arbeit von Justiz und Polizei gegeben. Nun setzt Clemm ihren Bericht über die Spirale patriarchaler Gewalt fort. In einem Podcast mit der bekannten Publizistin Carolin Ehmcke spricht sie ausführlich über ihre Erfahrungen bei Gericht. Christina Clemm ist im November auf Lesereise in zahlreichen deutschen Städten.
Gegen Frauenhass, Christina Klemm, Hanser Verlag, 256 Seiten, 22,- €

Beklaute Frauen

Große Künstler, Wissenschaftler, Literaten – viele hatten Frauen an ihrer Seite, die ebenfalls Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Literatinnen waren. Was aber taten Pablo Picasso, Albert Einstein und Bertolt Brecht auf dem Weg zum Ruhm? Sie brachten die Ehefrauen, Mitarbeiterinnen und Kolleginnen um ihr geistiges Eigentum und machten es sich zu eigen. Leonie Schöler hat in „Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte“ zahlreiche Fälle zusammengetragen. Die erst 30-jährige Historikerin und Journalistin belegt mit ihren gründlichen Recherchen, wie eine männlich dominierte Welt Frauen systematisch gebremst, ausgenutzt und ihrer Chancen beraubt hat, so dass ihre Namen heute meist unbekannt sind. Beispielsweise Rosalind Franklin, eine Biochemikerin, die mit ihrer Forschung erstmals die DNA entschlüsselt hat. Der später für diese Entdeckung geehrte Nobelpreisträger James Watson brüstete sich in seiner Autobiographie sogar mit dem Datendiebstahl, ohne dass es Konsequenzen hatte. Höchste Zeit, dass die Arbeit der Frauen endlich eine angemessene Würdigung erfährt. Das Buch ist ein Anfang.
Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte, Leonie Schöler, Penguin Verlag, 416 Seiten, 22,- Euro

Alle Zeit

Das Thema Kind und Karriere ist ein Dauerbrenner. Warum ist die Care-Arbeitszeit so wenig wert? Die feministische Autorin Teresa Bücker spricht sich in ihrem Buch „Alle Zeit“ für eine neue Zeitgerechtigkeit aus. „Wenn wir unsere sozialen Probleme lösen wollen, müssen wir den Takt unseres Alltags ändern“, schreibt die Publizistin und zeichnet das Bild eines Landes im Dauerstress. Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 2019 fühlen sich 53 Prozent der Arbeitnehmer*innen häufig oder sehr häufig während der Arbeit unter Zeitdruck. Dies führe zur eklatanten Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse, schränke die individuelle Freiheit ein und gefährde die Gesundheit, kritisiert Teresa Bücker. In ihrem vor einem Jahr erschienen, immer noch hochaktuellen Sachbuch liefert sie Stichworte für eine gleichberechtigte Zukunft und eine bessere Zeitaufteilung zwischen Männern und Frauen.
Alle Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit, Teresa Bücker, Ullstein Verlag, 400 Seiten, 21,99 €

Unlearn Patriarchy

Unlearn Patriarchy: Wie können wir uns von frauenfeindlichen Strukturen befreien? Und wieso schadet das Patriarchat auch Männern? Im diesem Sammelband beleuchten 15 Autor*innen veraltete Rollen- und Geschlechterbilder, die uns alle einengen. „Die Welt ist stark von patriarchalen Werten und Normen geprägt, und ich glaube, dass wir uns das sehr selten bewusst machen“, sagte Lisa Jaspers, Autorin und Mitherausgeberin des Sammelbands im Interview mit dem SWR.
Unlearn Patriarchy, Ullstein Verlag, 320 Seiten, 22,99 €