Ist es eine „unzulässige Verdachtsberichterstattung“, wenn Medien die Anschuldigungen gegen Till Lindemann, den Sänger der Kultband Rammstein, zum Thema machen? Kommt es darauf an, ob das, was junge Frauen gegenüber dem Spiegel und anderen Medien berichtet haben, strafrechtlich relevant ist? Lindemanns Anwälte haben mit Unterlassungsaufforderungen versucht, Frauen zum Schweigen zu bringen, die über Vorfälle während und nach den Auftritten der Band berichtet haben. Sich mit anwaltlicher Hilfe zur Wehr zu setzen, kann extrem teuer werden. Diese Aussicht ist Teil der Einschüchterung, erfolgreich war sie nicht. Denn noch immer brechen Frauen ihr Schweigen, ermutigt von der einzigartigen Crowdfundingaktion „Wieviel Macht ein Euro“. Prominente wie die Schauspielerin Nora Tschirner, die Comedienne Carolin Kebekus, der Musiker und Videokünstler Rezo sowie etliche andere unterstützen die Sammelaktion, die die Amadeo-Antonio-Stiftung gestartet hat: Innerhalb weniger Tage kamen mehr als 815.000 Euro durch 70.000 Kleinspenden von im Schnitt 11 Euro zusammen. Das Spendenziel von 825.000 Euro ist Stand heute mit 823.927 Euro fast erreicht. Die Stiftung bedankt sich und schreibt auf der Spendenplattform Betterplace.org: „Betroffene von sexualisierter Gewalt sind nicht allein. Und sie können sich wehren und sich die Hilfe holen, die sie brauchen.“
Carla Hinrichs ist Juristin, das zweite Staatsexamen hat sie aufgeschoben, denn sie will als Sprecherin der „letzten Generation“ zuerst Erfolge erzielen: im Bewusstsein der Menschen für die Bedrohung durch den Klimawandel. Solange „der Planet so zerstört wird“, müsse ihre berufliche Karriere warten. Die 26-Jährige ist die bundesweit bekannteste Klimakleberin. Für ihre Teilnahme an Straßenblockaden wurde sie mehrfach verurteilt, zuletzt vom Amtsgericht Frankfurt am Main zu einer Haftstrafe und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit. Die ZDF-Dokumentation „Radikal, gehasst, verzweifelt – Die letzte Generation“ portraitiert drei Aktivist*innen und kommt dabei Carla Hinrichs sehr nahe, besucht sie sogar an ihrem ländlichen Rückzugsort bei den Eltern, ein ökobewusstes Lehrerpaar. Zu erleben ist eine sensible junge Frau, die ehrlich über ihre Angst bei den Aktionen auf der Straße spricht und über ihre Sorge um die Zukunft ihrer Generation.
ZDF, 37 Grad: „Radikal, gehasst, verzweifelt – Die letzte Generation“, Mediathek bis 20.6.2028